Once you said yes …

caskett_by_slaveformusic-d5gxm3n - Bearbeitet A/N: Mein Hirn braucht Luft. Eigentlich hätte es ein Oneshot werden sollen, aber ich kann mich nun einmal einfach nicht kurzfassen, daher hier etwas Neues, etwas ganz Anderes, etwas …. Positives.

Rating: P12 (vorerst einmal)

 Spoiler: erstes Drittel Staffel 2

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Once you said yes …

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Wie oft hatte Richard seiner mittlerweile vierzehnjährigen Tochter in dieser Situation erlebt? Wie oft hatte Meredith sie enttäuscht, war nicht da gewesen, wenn Alexis sie am meisten gebraucht hatte. Sie kam, sah und siegte – erkaufte sich Alexis liebe. Allerdings war das Mädchen mittlerweile alt genug, um zu realisieren, dass sie die Marionette ihrer Mutter war, wenn diese sich in New York aufhielt, dass Meredith die Fäden so zog, wie sie es brauchte. Immer drehte sich alles nur um die Schauspielerin, wenn es ihr beliebte.

Und dann war sie wieder wochen- monatelang spurlos verschwunden, meldete sich nicht. Und plötzlich war sie dann wieder da, verlangte ihre volle Aufmerksamkeit und die seinige. Doch dieses Mal, dieses Mal war sie zu weit gegangen.

Über ein Monat lang hatte Alexis dieses Ereignis geplant gehabt. Ihre High-School veranstaltete ein Mutter-Tochter-Wochenende. Oftmals hatte Alexis mit Meredith telefoniert und sie hatte vorgegeben, an diesem einen Wochenende einmal für ihre Tochter da zu sein. Einmal ihr alle Wünsche zu erfüllen. Alles.

Und nun saß Richard am Revier, Beckett gegenüber und wusste nicht, was er sagen sollte. Immer noch starrte er auf sein Mobiltelefon. Immer noch, kochte er innerlich vor Wut, doch war dies nicht der richtige Ort, Probleme mit seiner Exfrau an die Öffentlichkeit treten zu lassen.

„Kitten, lass Alexis wissen, dass ich nicht kommen kann. Ein Job ruft. – Mer“

Die Polizistin war ihm zwar mittlerweile wieder besser gesinnt, hielt aber immer noch etwas Abstand, versuchte nicht zu involviert zu werden, zu sehr hatte sie sein Vorstoß in ihr Privatleben scheinbar verletzt. Aufgewühlt. Trotzdem ließ sie ihn wieder in ihre Nähe, sprach mit ihm und machte Witze.

„Castle, was ist los?“, fragte sie neckisch, nicht ahnend, dass sie die Antwort nicht hören wollen würde. Wahrscheinlich hatte sie zudem nicht erwartet, dass er ihr einfach sein Mobiltelefon reichte, um sie die Nachricht lesen zu lassen.

„Ich dachte, Castle, dass Alexis und Meredith …“, begann Beckett und sah ihn verwundert ab.

Rick nickte. „Ja, sie sollten gemeinsam ein Wochenende verbringen, mit Alexis Freundinnen. Outdoor Experience. Es sollte die beiden näherbringen.“

Kate erinnerte sich daran, wie enthusiastisch ihr das Mädchen bei einem kurzen Besuch in Ricks Loft von dem geplanten Ausflug berichtet hatte. Sie hatte neue Schlafsäcke gekauft und auch sonst für eine neue Ausrüstung gesorgt. Alles war fertig. Abreisebereit. Nur die Begleitung fehlte. Meredith.

Die junge Frau war sprachlos. Täglich vermisste sie ihre Mutter, manchmal weinte sie sogar noch um sie, doch in Minuten wie diesen erinnerte sie sich mit großer Begeisterung an die gemeinsamen Momente. Immerhin hatte sie eine Mutter, mit der sie freudige Erinnerungen verband – ihr Lachen hörte sie immer noch, wenn sie sich an diese erinnerte. Das freudige, helle Lachen von Johanna Beckett.

„Du musst es ihr sagen.“

„Ich weiß.“

„Vielleicht kann Martha …“

„Premiere“, fiel ihr Rick ins Wort.

Kate blickte abermals auf die Nachricht und fragte sich, wie eine Mutter ihrem Kind so etwas antun konnte. Meredith hatte eine faszinierende, intelligente Tochter, die viel erwachsener war, als sie es in diesem Alter sein sollte. Sie war so vieles, das Mädchen mit 14 eigentlich nicht waren. Und gerade dieses Mädchen hatte eine Mutter, die offensichtlich keine Zeit mit ihrem Kind verbringen wollte. Offensichtlich.

 

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Es war kurz nach 8 Uhr am Abend, als es an der Loft Türe der Castles klopfte. Martha öffnete die Türe, blickte die Person auf der anderen Seite verwundert an.

„Katherine …“, sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen und bat die Polizistin in die Wohnung, deutete leicht und nicht zu offensichtlich zu den Stufen, die in das Obergeschoß führten. Die Stimmen, die von oben zu hören waren, waren laut. Alexis. Wutentbrannt.

„Wie konntest du mit dieser Person auch nur …“, Tränen und das darauffolgende Schluchzen waren zu hören, das typische Luftholen, wenn vor Wut die stimme wegblieb. „Sie ist …“

„Schatz … deine Mutter …“

Eigentlich war Kate vorbeigekommen, um Castle eine neue Idee zu ihrem aktuellen Fall zu präsentieren, die ihr am Heimweg gekommen war. Doch nun hörte sie dem Gesprächsduell zu, das gerade vonstatten ging.

„Ich will sie nie wieder sehen!“, schrie Alexis und man konnte deutlich hören, dass Castle versuche, sie zu beruhigen. „Nie wieder. Ich sperre ihr Nummer.“

„Das geht schon eine geraume Zeit so“, informierte sie Martha und in ihrem Gesicht war deutlich Bestürzung zu erkennen.

Kate nickte nur verständlich, immerhin hatte sie mitbekommen, wie Rick reagiert hatte, als er die SMS erhalten hatte. „Ich sollte gehen und nicht hier sein.“

„Ach, Kiddo“, kommentierte Martha die Situation. „Komm“, forderte sie sie auf und führte sie zum Couchtisch, reichte ihr ein unbenütztes Glas und schenkte ihr Weißwein ein, ohne viel nachzufragen.

Normalerweise trank Kate meistens Rotwein und hatte angenommen, dass es im Hause Castle-Rogers auch meistens nur diesen gab, denn selten hatte sie Rick etwas anderes Alkoholisches trinken gesehen. Doch schon als sie an dem Inhalt des Glases roch, stieg dieser herrliche Geruch von Holunder in ihre Nase, gemischt mit einem Hauch Zitrone, und sie erkannte, dass ihr der Wein schmecken würde. So lehnte sie sich zurück und genoss die wenigen Augenblicke, die sie mit Martha verbringen konnte, immerhin war es eine Seltenheit.

„Weißt du Katherine, sie hat sich seit Wochen so sehr auf dieses Wochenende gefreut. Und dann hat sie auch noch all ihren Freundinnen erzählt, dass ihre Mutter kommen würde und das das – via SMS. Ich bin entsetzt. Nicht, dass ich jemals besonders viel von Meredith gehalten habe, aber das …“ Pure Entrüstung war ihr ins Gesicht geschrieben. Kate und Martha kannten sich, viel geplaudert hatten sie noch nie über die vorherrschenden Familienverhältnisse, da Beckett immer der Ansicht gewesen war, dass es sie nichts anging. Manchmal konnte sie all dem in Castles Gegenwart so und so nicht entgehen.

„All ihren Freundinnen …“, wiederholte Kate und versuchte sich in das Mädchen zu versetzen. Nicht nur, dass ihre Mutter sie im Stich gelassen hatte, was allerdings nicht zum ersten Mal vorgekommen zu sein schien, sondern blamierte sie auch noch vor ihren Freundinnen – den Wesen, mit denen sie die meiste Zeit verbrachte. Blamabel. „Und was war geplant?“

„Oh … lass mich überlegen. Kanuten. Klettern in so einem neumodischen Klettergarten und Campen. Und sicherlich noch ein paar andere Aktivitäten, an die ich mich nicht recht erinnern kann. Ich weiß nur, dass Alexis Meredith bereits vor den Sommerferien darauf angesprochen hat, weil sie sich eben anmelden mussten … und jetzt die Flüge, alles um sonst.“

„Flüge?“

„Florida.“

Verwundert sah Kate auf. „Privatschule, Katherine. Eine teure Privatschule.“  Daraufhin lachten beide Frauen kurz auf. Als sie abermals verstummten, hörten sie immer noch Gerede aus dem ersten Stockwerk, das sich nicht sehr freundlich anhörte.

Plötzlich hörten sie ein Stampfen, die Stimmen wurden lauter und lauter.

„Nein Dad“, schrie Alexis ihn an. „Ich habe keine Lust sie jemals wieder zu sehen, egal was du sagst. Und du solltest ihr keinen Cent mehr an Alimenten bezahlen, sie ist ihr Geld nicht wert.“

„Aber Alexis …“

„Ich meine es ernst. Du bräuchtest ihr bereits seit Jahren keinen Unterhalt mehr zu bezahlen und machst es immer noch, deswegen kommt sie auch ab und an vorbei, um wegen der finanziellen „Unterstützung“ zu verhandeln. Sie kommt nicht wegen mir. Nein … !“ Ihre Stimme war hoch und laut, wutentbrannt.“

„Sie ist deine Mutter …“

„Sie hat mich auf die Welt gebracht und das war alles, was sie jemals für mich getan hat.“

Es war Kate mehr als nur angenehm, als das Mädchen sie auf der Couch sitzend entdeckte und plötzlich verstummte. Das rothaarige Mädchen ging zum Kühlschrank, entnahm ihm eine Flasche Saft und starrte Beckett an, die ihren Mantel inzwischen ausgezogen hatte und das Glas Wein in der Hand hielt.

„Ich sollte wirklich gehen“, murmelte Beckett und war dabei das Glas auf den Tisch zu stellen.

„Alexis bitte …“

„Was? Was noch Dad? Sogar Detective Beckett verbringt mehr Zeit mit mir als meine eigene Mutter. Sie habe ich in den letzten zwei Jahren mehr gesehen als Meredith. Wahrscheinlich würde sie mir auch nicht absagen, würde ich sie fragen, ob sie das Wochenende mit mir verbringt!“ Immer noch war die Wut in der Stimme des Mädchens deutlich zu erkennen, gemischt mit einer ordentlichen Portion Trauer, Verzweiflung und Unverständnis.

Alle starrten nun Beckett an und schienen auf eine Antwort zu warten.

„Natürlich würde ich das nicht“, kommentierte sie ruhig, unwissend, auf was sie sich da gerade eingelassen hatte.

„Wunderbar“, kommentierte das Mädchen. „Jeder hat mehr Interesse an mir als meine eigene Mutter. Wunderbar!“

Schließlich machte sie einige Schritte auf Kate zu und sah sie fragend an. „Würden sie das wirklich machen?“

„Ja“, antwortete Katherine und war sich immer noch nicht sicher, um was es jetzt genau ging.

Alexis lächelte, das erste Mal seit Stunden. „Dad, du kümmere dich um die Tickets“, sagte das Mädchen enthusiastisch. „Und Sie sind einfach am Freitag um 14 Uhr am Flughafen. Nein, wir holen Sie ab. Um 13 Uhr …“

Vollkommen verwirrt saß Kate nun da, starrte Martha und Castle an, als das Mädchen mit großen Schritten die Stiegen hinauflief. Sie fragte sich nun allmählich wirklich, ob sie tatsächlich zugesagt hatte, Alexis auf ihren Trip zu begleiten oder all das nur ein schlechter Albtraum war.

„Das wäre aber nicht notwendig gewesen, Beckett“, sagte Castle und legte seine Hand auf ihre Schulter.

„Ich glaube nicht, dass es beabsichtigt gewesen ist“, fügte Martha hinzu und sah die Polizistin fragend an. „Oder?“

„Nein“, antwortete diese dann zögerlich.

„Du hast ihr gerade zugesagt, Kate, dass du mit ihr und ihren Freundinnen, sowie deren Müttern, nach Florida fliegst über das Wochenende …“

Langsam realisierend, was sie gerade getan hatte, nickte Kate lediglich und überlegte, ob sie dem entkommen konnte. Doch dem war kein Entkommen und das wusste Kate, tief in ihrem Herzen wollte sie Alexis glücklich sehen. Doch war sie die richtige Person, um diesen Schritt zu wagen?

In den kommenden 60 Minuten bekam Beckett den neu gefundenen Enthusiasmus mit, mit dem das Mädchen begann alles zusammenzupacken, alles, das sie zuvor scheinbar die Treppe hinabgeworfen hatte. Die Polizistin hingegen fand kaum Worte.

Irgendwann, nachdem Castle Alexis beruhigt hatte, gingen Kate und Rick in sein Büro und wollten das besprechen, warum sie überhaupt gekommen war. Allerdings fiel es der dunkelhaarigen Frau schwer sich zu konzentrieren, dies blieb natürlich nicht unentdeckt.

„Setz dich, Kate“, erklärte er und deutete auf die zwei Stühle, die am Fenster standen. „Ich verstehe, dass dir nicht bewusst war, auf was du dich da einlässt, als du das sagtest, aber ich …“

„Ich werde das schon schaffen. Ich habe zwar nicht gedacht, dass ich so etwas jemals machen werde. Aber keine Angst, ich werde ihr nicht absagen …“ Sofort als Kate sich bewusst geworden war, dass sie ein Wochenende mit Castles Tochter verbringen würde, hatte sie für sich selbst festgestellt, dass sie das durchziehen würde. Kate wollte nicht noch einmal Alexis trauriges Gesicht sehen, die Tränen in ihren Augen. Martha war beschäftigt und da alle Mädchen mit einem weiblichen Begleiter anreisen würden, war Ricks Teilnahme ausgeschlossen. Also lag es nun wirklich an ihr. Nur wie stand sie zu Alexis? Wie würden sie mitsammen umgehen, immerhin siezte das Mädchen sie immer noch. Sie kannten sich kaum.

„Danke. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken kann“, antwortete er und es war ernst gemeint. Hatte sie doch sein Gesicht gesehen, als er Merediths Antwort gelesen hatte. „Du bist die einzige weibliche Bezugsperson unter 60, die sie hat. Ein Vorbild.“

„Ich bin kein Vorbild, Castle.“

„Vielleicht nicht beruflich aber sie bewundert dich, fragt oft nach dir und sieht in dir eine starke Persönlichkeit. Glaub mir, sie würde sonst nie mit dir ein Wochenende verbringen wollen. Da hätte sie lieber eine Krankheit vorgetäuscht.“

Kate wurde rot.

 

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Am Freitag schaffte es das Team am Revier, den aktuellen Fall so weit abzuschließen, dass nur noch zwei Berichte zu schreiben waren und für diese hatte sich Ryan gemeldet, da er mitbekommen hatte, dass Kate es eilig hatte zu verschwinden und ihrer Launenhaftigkeit nicht im Weg stehen wollte. Als Teamleiterin war sie ausgesprochen gut, doch wenn Kate einmal etwas launisch war, eines der wenigen Zeichen, das bei ihr Unsicherheit symbolisierte, machte man ihr lieber alles Recht.

Bereits am Tag zuvor hatte Kate ihre alte Wanderausrüstung, die sie seit Jahren nicht verwendet hatte, zusammengesucht, ein paar sportliche kurze Hosen gewaschen und alle anderen Notwendigkeiten hergerichtet. Castle hatte sie wissen lassen, dass sie ein Zelt und zwei neue Schlafsäcke besorgt hatten. Immerhin war es für Alexis auch wichtig, ihre Freunde zu beeindrucken. Sie war ein Teenager.

Ein Wochenende, wie dieses, hatte Kate niemals mit ihrer Mutter verbracht. Als sie in diesem Alter war, hatte sie viele andere Sachen im Kopf gehabt und wollte wenig Zeit mit ihrer Mutter verbringen. Am liebsten gar keine. Sie hatte Interesse an Jungs, Tattoos und Motorrädern. Schon mit 14 hätte sie am liebsten eine Harley Davidson gefahren, hauptsächlich deswegen, weil ihre Mutter dagegen war. Selten machte sie ihr etwas recht.

Allerdings hatte es auch immer Momente gegeben, in denen sie sich nahe waren. Sehr nahe sogar. Aber diese lagen lange zurück und schienen immer mehr zu verblassen. Oftmals fragte sich Kate, wie der Gesichtsausdruck ihrer Mutter in der einen oder anderen Situation gewesen war, sie konnte sich nicht mehr daran erinnern.

 

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Als Kate mit Alexis und Castle am Flughafen ankamen, bemerkte sie sofort eine Gruppe elegant gekleideter Frauen und Mädchen, die laut aufeinander einredeten und Kate erkannte, dass sie nicht zu der Gruppe passen würde. Es dauerte nur wenige Sekunden und Alexis war schon dabei, sie allen vorzustellen – sie sagte lediglich Kate, die Freundin ihres Vaters. Nicht, dass sie lediglich eine Freundin war, noch dass es sich um eine berufliche Partnerschaft handelte. Weder Beckett noch Alexis Vater versuchten sie zu korrigieren, ließen dem Mädchen die Freude. Irgendwann würde sie es richtigstellen, aber vorerst standen andere Sachen im Mittelpunkt.

Ohne viele Worte zu verlieren, verschwand Rick rasch und ließ die beiden Frauen bei den anderen mit ihrem Gepäck stehen, blickte nur ein einziges Mal zurück.

Er konnte das Gefühl gar nicht beschreiben, das er fühlte, als er Kate neben seiner Tochter stehen sah, diese sie anstrahlte und jedermann wissen ließ, dass sie seine Freundin sei. Dabei waren sie seit seiner Entdeckung im Mordfall ihrer Mutter weit davon entfernt. Sie gefiel ihm, sehr sogar – nicht nur ihr Äußeres sondern vor allem ihre inneren Werte. Ehrlichkeit. Loyalität. Wissbegierde. Ausdauer. Doch waren es ihre Augen, die ihn immer wieder in ihren Bann zogen, auch wenn sie sich dessen nicht recht bewusst war.

Im Flugzeug saß Alexis neben Kate und erzählte ihr unentwegt von ihren Freundinnen, die sie nicht auseinanderhalten konnte. Eine hieß Jenny, ihre Mutter wurde Penny gerufen. Die Rothaarigen waren Simona und Francesca. Dann gab es noch Elli und Georgette, Karen und Carmella, Sue und Mary. Zumindest waren das all die Namen, die Beckett sich gemerkt hatte, wobei sie sich nicht sicher war, wer, wer war.

Nach einigen Flugstunden landeten sie in Jacksonville, einem kleineren Flughafen in Florida, und holten ihr Gepäck ab. Das erste Mal in all den Stunden war Kate alleine mit den Müttern der Mädchen und schon war das Thema zu Castle umgeschwenkt, der interessante Spitznamen zu haben schien. Moby Dick. Der Wal. Master. Und viele andere, die man in der Gegenwart seiner Tochter nicht aussprechen sollte, da es oftmals sexuelle Anspielungen waren.

Um Alexis nicht bloßzustellen, spielte Kate mit und ließ sich nicht anmerken, dass sie keineswegs mit Richard Castle, dem weißen Wal, ins Bett ging. Sie fühlte sich bereits fehl am Platz, versuchte aber ihr Bestes.

„Ist er wirklich so talentiert, wie alle sagen?“, fragte eine blonde Frau, die, so vermutete Kate, auf den Namen Georgette hörte.

„Oh ja, alles ist die Wahrheit“, spielte sie mit und innerlich fragte sie sich immer wieder, wie man einen Mann so sehr reduzieren kann, dass nur noch das Sexuelle im Vordergrund stand. Richard Castle war ja so viel mehr. Lustig. Unterhaltsam. Intelligent. Natürlich sah er gut aus und hatte Augen, die so viel ausdrücken konnten. Kate hatte allerdings festgestellt, dass all diese Frauen Richard kannten und versucht hatten, ihn dazu zu bringen, mit ihnen auszugehen, obwohl der Großteil von ihnen verheiratet war. Scheinbar hatte es aber keine einzige von ihnen geschafft.

„Kate, Kate“, rief dann Alexis und die Polizistin war erfreut, sich von den Müttern abwenden zu können und ging auf das Mädchen zu, das in ihren sportlichen Shorts und den geflochtenen Zöpfen viel jünger aussah, als sie tatsächlich war. Als sie sich nahe gegenüberstanden, flüsterte Alexis ihr ins Ohr, dass es ihr leid täte, dass die Mütter immer nur von ihrem Vater sprechen würden, aber ihre eigene Mutter hätte immer diverse „Geschichten“ erzählt und den Wissensdurst solcher Frauen auf diese Art und Weise befriedigt.

Aber genau das, war nicht Kates Art. Sie konnte keine Geschichten erzählen, erfinden und diese verbreiten, besonders nicht, wenn es um sie und Castle ging. Zu fragil war ihre Beziehung, obwohl er momentan alles tat, um sie nicht zu erzürnen.

 

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Mit einem Bus fuhren sie in einen Nationalpark, wo sie von zwei Rangers bereits erwarteten und sie zu einem abseits gelegenen Platz brauchte, nahe einem Fluss und Wasserfall, wo sie ihre Zelte aufstellen sollten. Immer wieder wurde wiederholt, dass jedes Paar – Mutter und Tochter – für das eigene Zelt zuständig war.

Weder für Alexis noch für Kate war es das erste Zelt, das sie aufstellten. Rick hatte in ein neues Kuppelzelt investiert, das durch seine Rundung mehr Platz versprach als die klassischen dreieckigen. Klein Castle hatte es im Endeffekt ausgesucht, da es ihr am funktionalsten erschien.

Nachdem der Ranger die Sicherheit des Zeltes gut geheißen hatte, räumten sie ihre Schlafmatten und Schlafsäcke in den engen Raum, packten ihre Rucksäcke aus und durften dann auf eigene Faust etwas die Umgebung erforschen, während die anderen immer noch mit den Zeltstanden kämpften. „“

„Danke, Kate, dass du mit mir mitgekommen bist. Ich weiß, dass die anderen Mütter peinlich sind.“

„Kein Problem, Lex. Es ist halb so wild.“

„Es geht bei allen immer nur um Dad und Sex. Das ist immer so. Es ist furchtbar.“

„Und deine Mutter störte es nicht, ihnen irgendwelche Geschichten zu erzählen?“

„Mom? Sie steht einfach gerne im Mittelpunkt und damit schafft sie es jedes Mal aufs  Neue.“

Kate nickte nur zustimmend, zog ihre Wanderschuhe aus und steckte ihre Füße in das kühle Nass des aufgestauten Flussbeckens.

„Sie werde dir Fragen stellen, auf die du nicht antworten brauchst. Man hat ihm auch schon entsprechende Spitznamen gegeben“, erklärte Alexis und war peinlich berührt. „Aber Dad ist nicht so ein Frauenheld, wie alle immer glaube. Er geht vielleicht mit unterschiedlichen Frauen auf diverse offizielle Veranstaltungen, aber er geht mit ihnen nur dorthin. Glaub mir, Kate, er ist nicht so, wie alle glauben.“

Beckett ließ die Worte sickern. Er war nicht der große Frauenheld, wie er in den Medien präsentiert wurde? Kaum vorstellbar, denn genau dieser Mann war Castle für sie. Auch Alexis zog sich die Schuhe aus und ging Kate nach, die die Steinformationen studierte, die sich vor ihr erhoben und über die Worte des Mädchens nachdachte.

„Und wie ist dein Vater dann?“, fragte Kate und erwartete sich nicht mehr als ein Lächeln als Antwort.

„Oh, er ist ein Gentleman. Du weißt ja von seiner zweiten Ehe, der mit Gina?“, begann Alexis und Kate fiel auf, dass irgendwann Alexis aufgehört hatte sie zu siezen, als wäre es das Natürlichste von allem. „Er bringt alle Frauen, mit denen er etwas Ernsthaftes hat, mit nachhause. Er ist nicht einer von den Männern, die mit zahllosen Frauen schlafen – er kennt viele und hat unterschiedliche Begleitungen – aber Gina war seine letzte Beziehung und sie sind immerhin schon mehr als fünf Jahre geschieden und waren immerhin ein ganzes Jahr verheiratet. Seitdem war er mit drei Frauen aus, dann hat er bei der Polizei begonnen, seitdem gab es niemanden mehr. Abgesehen von Mom, als sie letztes Jahr einmal kurz einen Gastauftritt in unserem Leben hatte.“

Beckett konnte den ehrlichen Worten des Mädchens kaum glauben, immerhin handelte es sich um Richard Castle, den Bestsellerautor und Frauenheld, Playboy und weißen Wal.

„Niemand seitdem?“, fragte Kate vorsichtig nach.

„Nein. Sein gesamtes Leben dreht sich nun um die Polizei und dich, er hat keine Zeit mehr, die New Yorker Gerüchteküche aufzuwühlen und auch kein Interesse mehr daran. Es ist faszinierend, wie wenig man sich heute für ihn genieren muss. Früher war es viel, viel schlimmer.“

„Du hast dich für ihn genieren müssen?“

„Naja, nackt auf einem Polizeipferd reitend fotografiert zu werden, zählt nicht unbedingt zu den Sachen, mit deinen eine 10-Jährige konfrontiert werden möchte.“

„Die Bilder waren in den Medien?“

„Oh ja, irgendwo hat er sicherlich noch eine Ausgabe des Daily Globe, um es auch herzeigen zu können.“

Beide lachten daraufhin.

 

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Die Ranger halfen den Damen bei der Errichtung eines Lagerfeuers und gemeinsam wurde ein kleiner BBQ veranstaltet. Ständig wurde Kate auf Rick und ihre vermeintliche Beziehung angesprochen, doch versuchte sie, keine Gerüchte zu streuen, bis Alexis schließlich einmal etwas sagte.

„Manchmal frage ich mich wirklich, Mrs. Jefferson, ob sie vielleicht auch noch von Kate wissen wollen, wie mein Vater sich so im Bett anstellt und welche Position er bevorzugt.“ Penny Jefferson hatte wahrhaftig mit vielen Wortmeldungen von Alexis Seite gerechnet, aber nicht mit dieser. Nicht einmal Kate hatte dies kommen sehen, musste dann aber leise lachen und zog das Mädchen etwas an sich, sodass ich ihre Schultern berührten und sie einen sanften Kuss – intuitiv – auf ihre Schläfe platzierte.

Im Gegenzug lachten Alexis Freundinnen und Penny Jefferson lief dunkelrot an, was bei ihrem hellen Hauttyp wahrlich keine Schwierigkeit war. Es war ihr sichtlich unangenehm.

„Über vorzügliche Qualitäten spricht man nicht, man genießt und schweigt“, erklärte Kate nur, während sie Alexis über das Haar fuhr und beide lachten leise.

Irgendeine der Mütter wiederholte nur das Wort Qualitäten und auch von deren Seite hörte man nur ein leises Lachen, als würde sie nur all zu gut wissen, von was Kate sprach – obwohl diese es nicht wusste sondern lediglich versuchte, ihre Rolle in diesem Spiel zu spielen.

War es Kate recht, in diese Rolle gedrängt worden zu sein? Nein, natürlich nicht, doch kannte sie eine Seite von Castle so gut, dass sie glaubte, auf andere davon schließen zu können. Doch wusste sie nicht, wie es sich anfühlte, wenn man in seinen Armen lag, geküsst wurde oder geliebt. All das blühte gerade zu in ihrer Fantasie in diesem Moment und dafür schämte sie sich, dass sie sich so hemmungslos in dieser Gedankenwelt verlor, während alle anderen dabei waren, von sich zu erzählen.

Nebenbei bekam sie mit, dass Francesca DiAngelo eigentlich Italienerin war und ihr Mann bei der italienischen Botschaft arbeitete. Sie war eine attraktive Frau an die 50 und hatte sicherlich schon viel von der Welt gesehen. Ihre perfekten dunkelgrünen Wanderhosen schienen neu gekauft, wie die Outfits von so vielen der hier sitzenden Mütter. Kate kam sich in ihren alten Hosen schäbig vor, allerdings besaß sie außer diesen Khaki Shorts nur noch ein zweites Paar in dunkelgrüner Farbe, deren Zustand war nicht viel besser. Nicht, dass sie schäbig, kaputt oder abgenutzt waren, nein, absolut nicht – sie waren lediglich schon einige Male zum Wandern getragen worden und somit nicht mehr fabrikneu.

Gemeinsam aßen sie Hühnerspieße, Salat und gebackene Kartoffel mit Joghurt-Sauce, Maiskolben und tranken Wasser. Immer wieder schien es Kate, als würde Alexis näher zu ihr rücken, sich mehr an sie schmiegen. Sie wollte dieses Gefühl anfänglich nicht wahrhaben, bis sie schließlich den Arm um die Schultern des Mädchens legte, die Sonne war inzwischen untergegangen, und in die Runde blickte. Die meisten Teenager saßen gut 50cm von ihren Müttern entfernt, wollten ja nicht berührt werden. Alexis hingegen schien diese Form der Aufmerksamkeit zu genießen und wollte mehr.

Diese Situation bewegte Kate dazu, über ihre eigene Beziehung zu ihrer Mutter als Teenager nachzudenken und sie wurde sich bewusst, dass sie ebenso einen halben Meter von ihr entfernt gesessen gewesen wäre, wäre sie abermals 14. Man hatte ihr damals verboten mit Freunden zelten zu gehen, nur weil ein paar Burschen, ihre besten Freunde, dabei waren. Außerdem hatte man ihr untersagt, mit Jungs auszugehen, weil sie noch zu jung dafür sei. Alles hatte sie zur Weißglut gebracht. Alles. Jede Kleinigkeit war diskussionswürdig gewesen. Jedes noch so geringe Verbot war Grund für einen Streit gewesen. Heute dachte Kate ungern über diese Tage nach, Wochen und Monate, denn sie waren so fern. Sie erinnerte sich lieber an die Momente mit ihrer Mutter, während derer sie nicht stritten, sondern qualitativ hochwertige Zeit mitsammen verbrachten. Das waren die Momente, die sie immer für sich haben würde – das gemeinsame Eislaufen, die Stunden in der Bibliothek, bei Lesungen, in der Küche backend und kochend.

An all diese Augenblicke würde sich Alexis einmal nicht erinnern können, weil sie sie mit ihrer Mutter nicht erlebt hatte. Da realisierte die Polizistin, wie wichtig es wahrscheinlich für das Mädchen war, solch positive Erinnerungen zu erschaffen, kreieren, um diese irgendwann einmal abrufen zu können. Martha war sicherlich ein gutes Rollenbild, doch war sie alles, was Kate nicht war. Sie war offensiv und ließ sich nichts sagen. Ihr Äußeres wusste sie in Szene zu setzen und machte sich nichts aus ihrem Alter, zudem liebte sie es bunt, knallig. Sie war eine Überlebenskünstlerin und oftmals fragte sie sich, wie es geschafft hat, Castle von einer Privatschule in die nächste geben zu können, hatte sie doch als Schauspielerin nicht immer ein Engagement.

 

Als sie gegen zehn Uhr zu Bett in ihre Zelte gingen, war Kate an dem Punkt angelangt, an dem sie sich fragte wie aus Mädchen mit solch snobistischen Müttern jemals etwas Normales werden solle. Immer wieder ging es nu um die Prada Handtasche, die man zuhause lassen musste, oder das neuste iPhone Modell, den letzten Friseurbesuch oder etwas Dergleichen – lauter nicht wirklich essentielle Sachen. Alexis hatte ab und an versucht sich in das eine oder andere Gespräch einzubringen, aber dann rasch aufgegeben und Kate und ihre Reaktionen beobachtet. Sie schienen ähnlich empfunden zu haben. Das Abdrehen ihres Handys am New Yorker Flughafen war beiden, unabhängig voneinander, nicht schwer gefallen. Für Kate war es sogar eine Art Erleichterung gewesen, zu wissen, dass sie das Revier einmal nicht erreichen konnte. Und Rick hatte ihr einfach seine Tochter anvertraut. Dieses Fakts war sie sich erst im Laufe des Abends bewusst geworden. Ohne viel zu zögern hatte er sie ihr übergeben, ihnen viel Spaß gewünscht und das war es gewesen.

„Danke Kate, dass du mitgekommen bist“, murmelte Alexis, als sie in ihren Schlafsack glitt.

Das Mädchen hatte bewiesen, dass sie Kates Anwesenheit nicht störte, bei nichts. Nicht einmal beim Umziehen, dabei waren doch Mädchen in diesem Alter immer etwas zögerlich (g’schamig), wenn es um solche Situationen ging. Alexis nicht. Vielleicht war sie anders, weil sie beinahe ausschließlich von einem Mann erzogen worden und Castle ein sehr weltoffener Mensch war. Selbst Kate hatte sich in diesem Moment des Sich-Umziehens etwas unwohl gefühlt, da sie so erzogen worden war und niemals das Bedürfnis verspürt hatte, dies vor anderen zu tun. Doch als der Teenager dies mit einer Selbstverständlichkeit tat, ergab sich Kate ihrem schlechten Gewissen und folgte ihrem Vorbild.

„Was soll dieses Tattoo bedeuten?“, fragte Alexis und griff auf Kates nackten Rücken, gut 15cm unterhalb ihrer Achsel an der Seite. Anfänglich versuchte Kate es zu verdecken, genierte sich beinahe dafür.

„Es ist der Todestag meiner Mutter und ihre Lieblingsblume – eine Lilie.“

„Hm … Es ist schön“, kommentierte sie ruhig und fuhr abermals über den bunten Fleck Haut, der nicht größer war als ihr Handteller. „Sie ist schon sehr lange tot.“

„Viel zu lange.“

„Vermisst du sie?“

„Oft, sehr oft.“

„Ich vermisse Mom nicht.“

„Alexis …“

„Manchmal bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich noch weiß, wie sie aussieht.“

„Ich glaube nicht, dass …“

„Ich kann mich an kein einziges Erlebnis in meiner Kindheit erinnern, bei dem sie dabei war.“ Alexis Stimme wirkte nicht traurig oder verstört, sie schien ihr einfach von Fakten zu berichten, die das Mädchen natürlich beschäftigten, aber nicht verändert werden konnten. „Immer war ich mit Dad unterwegs. Er schrieb und ich spielte neben seinem Schreibtisch. Als er das Haus in den Hamptons kaufte, kam Mutter wieder angetrabt, da sie von seinem Bekanntheitsgrad in den Hamptons profitieren wollte. Gott sei Dank, fiel er damals schon nicht mehr auf ihre Art hinein. Würde er ihr nicht immer noch Unterhalt bezahlen, was er wahrlich nicht bräuchte, stünde sie wieder vor der Türe und würde sich an ihn heranwerfen. Sie ist Schauspielerin“, Alexis lachte höhnisch. „Aber finanziell kommt sie kaum über die Runden.“

„Trotzdem bleibt sie deine Mutter“, versuchte Kate sie etwas zu besänftigen.

„Sie hat mich auf die Welt gebracht, Kate, doch Interesse hatte sie an mir nie. Ich war nicht geplant, stand ihrer Karriere nur im Weg. Aber Dad, er ist einfach …“

„Wundervoll?“

Kate hatte schon früh erkannt, dass Richard Castle zwar ein großes Kind war, aber der perfekte Vater. Er kümmerte sich um seine Tochter, machte alles für sie. Oftmals erschien es der Außenwelt, als wäre Alexis die Erwachsene, weil Rick oftmals unvernünftige kindische Sachen veranstaltete, doch war es nicht genau das, was ihr selbst an ihm so gefiel? Seine aufopferungsvolle Art und Weise für seine Familie alles zu machen – immerhin hatte er auch seine Mutter wieder aufgenommen, ihr ein Dach über dem Kopf geboten, obwohl sie sich scheinbar manchmal in die Quere kamen.

„Schaust du deine Mom ähnlich?“, fragte Alexis vorsichtig, wissend, dass ihre Mutter ein heikles Thema war.

„Ein Bisschen?“, erklärte Kate. „Aber wir sind uns niemals ähnlich gewesen. Ihre Haare waren dunkler, ebenso ihre Augen. Sie spielte mehrere Instrumente und konnte sich in Worten viel gewählter ausdrücken, immerhin war sie Anwältin. Sie war konservativ, viel konservativer als ich jemals sein könnte und gläubig. Jeden Sonntag ging sie in die Kirche. Ich war seit ihrem Tod nicht mehr in einem dieser Gebäude. Für sie war es wichtig gewesen, die katholische Kirche als wichtig anzusehen. Ich war immer ein Zweifler, wollte niemals freiwillig an einem Sonntag mitgehen, noch weniger in deinem Alter. Es war jedes Wochenende ein Kampf.“

Abermals hatte Beckett mehr preisgegeben, als sie eigentlich vorgehabt hatte, doch hatte sie seit Jahren nicht mehr über Johanna Beckett gesprochen. Jahre waren vergangen, seitdem irgendjemand Interesse an ihr gezeigt hatte. Jahre. Unglaublich, eigentlich. Sie hatte aber zudem feststellen müssen, dass es ihr gut tat, sehr gut sogar.

„Immerhin kannst du so viele Vergleiche ziehen. Ich weiß nicht, was meine Mutter interessiert, sie macht oder einfach nur mag“, erklärte Alexis und begann nun leise zu weinen, ihr gesamter Körper bebte leicht.

Weil sie dem Mädchen nicht weiter zusehen konnte, rollte sie in ihrem Schlafsack zu ihr hinüber und schloss ihre Arme um sie, presste ihre Gesicht an ihren Hals und ließ das Mädchen weinen, tröstete sie, sagte aber nichts über Meredith. Sie wusste zu wenig über sie, außer, dass sie dunkelrotes Haar hatte, Rick gerne Kitten nannte und das Shoppen liebte.

 

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Am kommenden Tag kletterte sie durch einen Hochseilgarten, ohne dass sie sich über die Kommentare der anderen kümmerte, die immer wieder irgendetwas über Rick wissen oder zu Rick sagten. Sie wurden ein eingespieltes Team. Als sie nach drei Stunden in 8 Meter Höhe wieder auf dem Boden landeten, fielen sie einander lachend in die Arme und waren froh, dem Rest der Truppe bei einer fruchtigen Jause vom Boden aus wieder zusehen zu können. Und es war ein Erlebnis, denn die divenhaften Mütter waren natürlich rein körperlich nicht in der Lage, solche Hürden zu überwinden. Kate war vielleicht nicht dank einiger Schönheitschirurgen zu ewiger Jugendhaftigkeit gezwungen, hatte nicht einen Pamela-Anderson-haften Brustumfang der dank des Silikons keines Büstenhalters bedurfte – nein, all das hatte sie nicht. Aber sie hatte Spaß, war fit und gesund. Sie hatte Freude am Leben und das erste Mal seit einer Ewigkeit empfand sie Glück.

Glück, etwas Ungeplantes gemacht zu haben.

Glück, sie selbst sein zu können.

Glück, sich ein paar Tage nicht hinter ihrer Marke und Waffe verbergen zu können, die stets Schutz boten und Männer abwimmelten. Keine Gedanken verschwendete sie an New York, die Arbeit oder etwas Dergleichen. Sie genoss den Moment, die warme Luft, die feuchte Hitze.

Einer der Ranger kam auf sie zu.

„Wir werden die anderen nun hinunter begleiten, ansonsten sitzen sie morgen noch in den Bäumen“, kommentierte der uniformierte Mann lachend und gab Anweisungen. „Wir werden euch jetzt die Möglichkeit geben, im aufgestauten Flussbecken zu baden, euch frisch zu machen, bevor wir später eine Kanu-Tour machen werden.“

Um die Wette liefen Alexis und Kate zum Zelt, wechselten in ihre Badekleidung und waren schon, wieder in Shorts und Shirt, am Weg zum Fluss, als die anderen, fluchend, zum Camp zurückkamen. Das Einzige, was dieses Verhalten den beiden Frauen entlockte, war ein lautes Lachen. Manch eine Mutter war schweißgebadet, die Kleidung klebte an ihren Körpern und sah keineswegs so nobel aus, wie sie es gerne gehabt hätten.

Als Kate sich entkleidete, um ins Wasser zu gehen, starrte Alexis sie an.

„Was ist los?“, fragte Kate verwundert.

„Nichts.“

Verwundert sah Beckett das Mädchen an und zog eine Augenbraue ungläubig in die Höhe. Doch das Mädchen sagte nichts mehr und bevor die anderen an der Stelle ankamen, marschierten die beiden ins Wasser, schwammen umher und beobachten die noblen Damen der New Yorker High Society, wie sie sich etwas unfreiwillig in das natürliche Schwimmbecken begaben – frei von Chlor und anderen Chemikalien und das in ihren teuren Designer Bikinis. Kate musste schmunzeln, artikulierte es aber nicht.

Alexis schwamm mit ihren Freundinnen, unterhielt sich und gemeinsam schienen sie Spaß zu haben, Spaß über das Verhalten ihrer Mütter. Kate saß abseits im Wasser, hatte die Augen geschlossen und genoss die Sonne, ließ sie sich ins Gesicht strahlen. Sie hatte sich auf einen Stein gesetzt und die Beine angezogen, die Zeit vergessen.

Immer wieder musste sie an Richard denken. Er war ein guter Vater, hatte eine wunderbare Tochter herangezogen. Seine blauen Augen. Sein Haar, das nicht immer so brav lag, wenn er zuhause war. Die Hemden, die seine Schultern so breit wirken ließen. Seine großen Hände. Und dann war da noch seine Art und Weise mit Menschen umzugehen, ihnen Respekt zu zollen und sie zugleich zu fordern, so wie er das bei ihr machte. Seit ihrem Konflikt um den Tod ihrer Mutter und den Fakt, dass er die Finger von dem Fall lassen sollte, hatten sie wieder eine Basis gefunden, die sie mitsammen leben ließen. Doch war das alles, was sie von ihm wollte?

In den letzten Tagen war es ihr so vorgekommen, als würde sich die Hälfte aller Gespräche mit Alexis unbewusst oder bewusst um ihn und seine Familie drehen. Immer wieder bestätigte Lex, dass er nicht der Mensch war, der durch die Medien aus ihm gemacht wurde. Er war kein Playboy. Dandy.

 

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Der Kanu-Trip fand bereits nur in einer reduzierten Gruppe statt, da einige der Mütter über Schmerzen in den Armen und Blasen klagten. Nach einer Stunde am Wasser kam es dann, dass Kate die einzige Erwachsene war, die mit den Mädchen am Wasser war und sie wurde heiß umgarnt. Alle wollten mit ihr rudern, sie an ihrer Seite wissen. Beckett verstand nicht, wie sie in dieser Rolle gerutscht war, hatte sie doch nichts Dementsprechendes gemacht. Und doch genoss sie im Geheimen die Aufmerksamkeit, die ihr geboten wurde, war sie diese doch nicht gewöhnt.

„Wenn wir wieder in New York sind, Kate, müssen sie mit uns ins Kino gehen“, erklärte Jenny und die anderen stimmten ein. Alexis stand in diesem Augenblick am Rande und konnte keinen Gefallen an dem Vorhaben ihrer Freundinnen finden. Beckett merkte rasch, dass etwas nicht stimmte und stimmte weder zu, noch lehnte sie ab, sie wand sich geschickt aus der Szene und verbrachte anschließend wieder mehr Zeit mit Alexis, sofern dies überhaupt möglich war, denn die Mädchen wichen ihr nicht mehr von der Seite.

Am Abend beim Essen saßen sie alle um Kate herum und baten sie, Geschichten von der Polizei zu erzählen. Die anderen Mütter unterhielten sich über die aktuelle Mode und warfen immer wieder einen missmutigen Blick in ihre Richtung. Und so kam es, dass die auf das Essen folgenden Stunden damit verbracht wurden, immer mehr aus Beckett heraus zu kitzeln.

„Und was hast du über Mr. Castle gedacht, als du ihn das erste Mal gesehen hast?“, fragte Elli.

„Oh das war ein lustiger Moment. Es war eine Buchparty und wir hatten eine Leiche gefunden, die einer aus seinen Büchern glitt….“, und so erzählte Kate von ihrem ersten Zusammentreffen, dass er ihr Dekolleté signieren wollte und seiner sturen Art sich in ihr Team zu mischen, bis er seinen Willen durchsetzen konnte.

„Er sieht ja so gut aus“, kommentierte Mary. „Diese blauen Augen…“ Die Mädchen schwärmten alle für Rick und dies verstand Kate nur all zu gut. Er war ein gutaussehender Mann und Teenagern gefielen Männer, die Spaß verstanden und immer für etwas zu haben waren.

„Gefällt er dir denn nicht?“, fragte Jenny und legte ihre Hand auf Alexis, der das Thema gewohnt war, immerhin war es nicht das erste Mal, dass ihr Vater Thema ihrer Schwärmereien war.

„Natürlich. Rick sieht sehr gut aus“, sagte Kate schüchtern.

„Und …?“, forderten die anderen sie heraus.

Beckett sah kurz in die Runde, holte tief Luft und lachte verlegen, wurde etwas rot. „Rick ist charmant, hilfsbereit und …“

„Das ist ja alles nebensächlich“, kommentierte eine aus der Gruppe. „Gefällt er dir als Mann?“

Etwas zögerlich sagte Kate schließlich: „Natürlich. Wie könnte man ihn nicht sehr gutaussehend finden? Mit den blauen Augen, dem Lächeln und …“

„Und ..?“

„Er ist ein guter Mann“, sagte Kate mit fester Stimme. „Sicherlich einer der besten.“

Es war nicht an Alexis vorbeigegangen, dass es Kate nicht angenehm gewesen war, über ihren Vater zu sprechen, obwohl die Polizistin währenddessen immer wieder auf ihre Finger gestarrt hatte, Röte an ihrem Hals aufgestiegen war und sie eindeutig nervös gewesen war. Aber das störte sie nicht. Für das Mädchen war es interessant gewesen, zu sehen, dass ihr Vater sie nie nicht komplett unberührt ließ. Sie verbrachten viel Zeit mitsammen und Kate schien eines seiner Lieblingsgesprächsthemen geworden im Laufe des letzten Jahres. Und irgendwann war es an Martha und Alexis gelegen, sich darüber bewusst zu werden, dass die Polizistin eine wichtige Rolle in seinem Leben spielte, seine Beziehung war, obwohl keine Intimität existierte. Zumindest so die Annahme.

„Wie lange bist du schon mit Mr. Castle zusammen?“, fragte Mary.

„Oh, einige Monate bereits“, mischte sich Alexis ein. „Bald ein Jahr.“

„So lange bereits und niemals hast du uns davon erzählt“, beklagten sich ihre Freundinnen.

„Sie wollten es geheim halten.“

„Hm …“, stimmte, Kate zu.

„Aber in den Zeitungen war er immer mit anderen jungen Frauen bei Filmpremieren und solchen Sachen.“

„Engagierte“, erklärte Castle Junior. „Der Verlag stellt ihm die Begleitung zur Verfügung, wenn er das wünscht.“

„Oh …“, sagten alle verwundert. Beckett hatte das nicht gewusst und war ebenso erstaunt, wie die Teenagergruppe um sie herum.

 

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„Du solltest mit Dad ausgehen“, erklärte Alexis, als sie in den Schlafsack rutschte. „Ihr würdet gut zusammenpassen.“

„Ich denke nicht, dass ich …“

„Was?“

„Ich bin nicht sein Typ.“

Hörte Alexis hier etwa heraus, dass sie einem Date nicht abgeneigt war?

„Was ist denn Dads Typus?“

Kate zögerte etwas und starrte auf die, von der kleinen Lampe erhellte, Zeltwand. „Ich denke, dass es offensichtlich ist. Er mag sie groß, üppig und kurvenreich.“

Alexis lachte. Lachte laut.

„Hast du jemals Gina oder meine Mom gesehen?“ Sie machte eine kurze Pause. „Keine von beiden ist üppig, so wie du es beschreibst, und auch nicht besonders kurvenreich. Beide sind sehr schlank und wissen nur, wie sie ihre dezenten ‚Kurven‘ in Szene setzen mit der passenden Kleidung.“

Kurz überlegte Kate und schloss ihre Augen. Sah Gina in dem weißen Kleid vor sich, von der ersten Buchparty, auf der sie Rick getroffen hatte. Eine hübsche, dominante, selbstsichere Frau. Ihre Figur war ihr damals nicht aufgefallen und auch auf den anderen Feiern, auf denen sie sie hätte treffen können, war ihr nichts Dergleichen aufgefallen. Meredith hingegen war immer behängt mit goldenen Ketten, Perlen und trug gerne aufsehenerregende Kleidung – unechte Pelzjacken, knallige Farben. Sie tat alles, um aufzufallen. Aber ihre Figur? Auch hier konnte keine Figur zuordnen. Doch schienen sie eher unauffällig, ansonsten wäre es Beckett anders ergangen.

„Sie sind alle sehr schlank“, kommentierte Alexis. „Das Bild, das uns in den Medien gezeigt wird von den Frauen auf die Dad steht, ist ein vollkommen anderes. Es geht ihm selten um körperliche Werte sondern um das, was hinter der Kulisse steckt.  Mom enttäuschte ihn und danach hatte er lange keine Freundin. Jetzt hatte er auch schon lange keine mehr, ein Jahr vielleicht? Abgesehen von Moms letzten Gastspiel, aber da geht es lediglich um Sex.

„Aber Lex ….“

„Aber es ist doch so, Kate. Es gefällt ihm, weil sie rasch wieder weg ist und es nicht um etwas Verbindliches geht. Zumindest sagt das Grandma.“

„Sagt Martha …“, murmelte Kate leise.

„Sie glaubt, dass er dich sehr gerne hat.“ Alexis hatte sich das nur Fragen getraut, weil sie wusste, dass sie Kate und Kate sie nicht sehen konnte und sie sich so sicher war, dass die Frau ihr breites Grinsen nicht sehen konnte. Es hatte all ihren Mut abverlangt. Immer wieder hatte Martha Andeutungen wie diese gemacht, dass Rick ständig von Beckett sprechen würde, es immer nur Kate dies und Kate das hieß. Zudem war er den gesamten Sommer unerträglich gewesen, hatte jeden einzelnen Tag nur von Kate gesprochen – den grünbraunen Augen, dem dunklen kurzen Haar. Wie sie in den Schuhen laufen konnte und dass jeder den Mord eines Familienmitgliedes gerächt haben wolle.

Und Alexis bewunderte sie. Nicht nur, dass Kate ihrer Ansicht nach eine schöne Frau war mit ihren großen Augen und dem markanten, perfekten Lächeln. Nein, es war viel mehr. Sie war gebrochen, der Tod ihrer Mutter, der immer noch ungeklärt war. Sie warf sich nicht an ihren Vater heran, manchmal war er ihr sogar lästig und doch musste sie in seiner Gegenwart oft lächeln. Lachen. Die paar Male, die sie im Loft gemeinsam verbracht hatten, war Detective Beckett eine gute Gesprächspartnerin gewesen und hatte ihren Vater viel zu oft angestarrt, obwohl sie versucht hatte, nicht zu offensichtlich zu sein, Alexis war es sehr oft aufgefallen.

„Und ich glaube das auch“, fügte sie noch leise hinzu. An den raschen Atemzügen und dem Glänzen der Augen in der Dunkelheit, wusste das rothaarige Mädchen, dass Kate nicht schlief, sondern alles, was sie gesagt hatte, mitbekommen hatte. Alles

Wie viele Frauen im Leben ihres Vaters würden freiwillig mit ihr ein Wochenende verbringen, ohne dass sie wirklich wusste, um was es bei diesem ging? Wie viele würden mit ihr all diese Aufgaben bewältigen und sie wie ein ebenbürtiger Mensch behandeln und nicht wie ein Kind, wie es andere so gerne taten? Wie viele stellten keine Fragen und nahmen alles als gegeben hin?

Als sie einschlief, dachte sie an Rick, seine blauen Augen, die sanften Lippen und die großen Hände. Am liebsten würde sie sich vorstellen, wie sich diesen anfühlen würde – an ihr, auf den ihren.

 

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Am Sonntag nach dem Frühstück teilte man der Gruppe mit, dass es in Florida noch eine Kanu-Tour in den Everglades geben würde, bevor man sie ein paar Stunden vor dem Rückflug ihnen die Möglichkeit geben würde, shoppen gehen zu können. Kate hatte die Augen verdreht, als sie das hörte, Alexis hatte lachen müssen und die anderen waren außer sich vor Freude gewesen.

Nachdem sie ihre Zelte wieder abgebaut und verstaut hatten, fuhren sie mit Trucks in den Nationalpark und sollten sich in zwei Gruppen aufteilen. Kate gesellte sich zu den Müttern, wie es auch vorgesehen war, doch innerhalb weniger Augenblicke hatten sich die Teenager-Mädchen um sie gescharrt und sie überredet, mit ihnen zu rudern. Zwei Blicke in Richtung der snobistischen Mütter hatten ausgereicht, um die Polizistin zu überzeugen.

In Shorts und Bikini-Oberteil ruderten sie gemeinsam, lachten und amüsierten sich. Die Zeit schien zu verfliegen.

Immer wieder hörte Kate, wie die Mädchen ihren Körperbau bewunderten und darüber murmelten. Genau das Gegenteil war bei den Müttern der Fall gewesen. Sie hatten sie schief angesehen und bekrittelt, dass ja nichts an ihr dran wäre. Sie war dies gewohnt, hatte dies über die Jahre hinweg so oft gehört, dass sie es sich nicht mehr zu Herzen nahm.

Die Mädchen wollten wissen, welche Sportart sie machte, um so in Form zu sein und sie erzählte ihnen vom Kickboxen, dem Yoga und Pilates, dass sie lief und sich ungesund ernährte. Natürlich sorgte dies für ein heiteres Lachen, das die Blicke der Insassen des anderen Bootes auf sich zog. Sie erzählte ihnen von ihrer beruflichen Routine und dass sie keine Lust verspürte für sich alleine zu kochen, daher meistens Essen bestellte, falls sie überhaupt noch Lust verspürte zu. Auf Nachfragen, wie Rick kochen würde, musste sie sich auf Alexis verlassen, da sie bisher nur einmal bei ihm eingeladen war.

„Dad ist ein wunderbarer Koch“, fügte sie hinzu. „Kate schaut ihm gerne beim Kochen zu.“

Beckett nickte nur zustimmend.

Immer wieder erfanden sie, unabhängig von einander, die eine oder andere kleine Geschichte, die das Bild, das sie zusammen kreiert hatten, erhielten. Oftmals war nicht einmal mehr ein Blick zwischen der Polizistin und dem rothaarigen Teenager notwendig.

Die Mädchen schwärmten alle von Mr. Castle in vollen Zügen und manchmal war es Alexis sichtlich unangenehm, obwohl sie sich im Laufe der letzten Jahre an diese Kommentare gewöhnt hatte.

 

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„Du könntest dir ein Kleid kaufen“, schlug Alexis vor, als sie durch die Outlet-Mall wanderten. Kate trug immer noch kurze Hosen und Wanderschuhe. Eigentlich hatte sie nicht vor, auch nur ein Kleidungsstück zu erwerben. Alles was sie beruflich trug, hatte sie zuhause – Hosen, Blusen, Tops und Blazer. Selten trug sie ein Kostüm, noch seltener einen Rock oder geschweige dem ein Kleid. Die wenigen, die sie hatte, trug sie lediglich vor Gericht oder wenn sie jemanden beeindrucken musste und wenn es um Rick ging – musste sie ihn denn beeindrucken? Wollte sie das?

Alexis zur Liebe probierte sie ein blaues Kleid an, das dem Mädchen besonders gut gefiel und sie musste im Spiegel erkennen, dass es ihr wirklich gut stand. Es reichte bis zur Mitte ihrer Oberschenkel und wurde durch eine dezente Rüsche im selben Farbton abgeschlossen. Oben war es bis unter die Brust eng geschnitten und fiel dann etwas lockerer – Empire Stil. Es betonte ihre weiblichen Attribute vorzüglich. In den folgenden Minuten drängte der Teenager Kate dazu, das Kleid nicht nur zu kaufen, sondern es auch zu tragen. Schnell war das passende Paar Schuhe gefunden und hier durfte Kate ihrer Leidenschaft für hohen Schuhen freien Lauf lassen. Kates luftgetrockneten Haare fiele in leichten Wellen auf ihre Schultern und sie war ungeschminkt, wirkte unschuldig und jung, als wäre sie weit von ihrem 30ten Geburtstag entfernt.

Kate kommentierte Alexis Avancen nicht, die immer wieder in Richtung Rick gespielt wurden. Nein, sie würde sich nicht die Zunge verbrennen und sich zu ihren unsicheren Gefühlen äußern.

Als sie sich abends wieder am Flughafen einfanden, um gemeinsam in Richtung New York zu fliegen, zog Kate alle Blicke auf sich, besonders die der Mütter von Alexis Freundinnen. Sie hörte ein Tuscheln, Murmeln, immer wieder ihren Namen. Auf der einen Seite kam sich die Polizistin vor, als hätte sie sich verkleidet, um Alexis eine Freude zu machen; auf der anderen war es aber auch eine Seite, die sie zu gerne unter ihren strengen, geradlinigen Business-Outfits verbarg, um kein Angriffsfläche für irgendwelche Menschen in ihrem Umfeld darzustellen. Ein Kleid in diesem Schnitt hatte sie das letzte Mal getragen, als sie mit ihrer Mutter, im zarten Alter von 17, durch die Südstaaten gefahren war – der letzte gemeinsame Urlaub. Seitdem war eben dieses Kleid weit hinten in ihrem Kasten in einem Kleidersack verstaut.

Dass Kate eine gute Figur hatte, war allen Müttern aufgefallen und darüber hatten sie sich bereits das erste Mal, als sie sie im Bikini gesehen hatten, den Mund zerrissen. Auch, dass sie gar keine Playboy-Maße hatte, wie alle anderen von Ricks Bekanntschaften. Irgendwann hatte Beckett erkannt, dass die wenigstens Rick wirklich kannten, die meisten gaben es nur vor und glaubten den Inhalt der Boulevardpresse. Wahrscheinlich waren ihre Töchter zwar immer wieder auf Besuch bei den Castles eingeladen, doch schätzte Kate diese Frauen so ein, als würden sie ihre Zeit nicht mit „vergeuden“ ihre Mädchen zu diesem Schriftsteller zu bringen oder auch nur abzuholen – dafür gab es Fahrtendiente, Chauffeure. Kurzum Personal. Man sah sich lediglich bei Schulveranstaltungen, zu denen er wahrscheinlich Martha mitbrachte, PTA-Meetings und anderen Aktivitäten, die der Familie vorbehalten waren. Vielleicht hatten sie Gina im Laufe der Jahre kennengelernt. Und nun sie. Was dachten diese Frauen nun über sie?

Während des Fluges war Kate außergewöhnlich ruhig, als sie so in ihrem neuen Kleid und den neuen Schuhen in ihrem Sitz saß und aus dem Fenster starrte. Alexis und Freundinnen waren sich einig, dass Rick schauen würde, wenn er Kate erblickte. Noch nie hatte er sie in einem Outfit wie diesem Gesehen. In einem Abendkleid schon, aber nicht in einem Kleid wie diesem. Nicht nur, dass der Empire Stil schmeichelnd war, so war es auch der Ausschnitt, der Attribute hervorhob und wenig verheimlichte. Zudem hatte Kate in den letzten Tagen Farbe bekommen, sah noch jugendlicher aus mit ihren Sommersprossen um die Nase.

 

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„Dad wird uns abholen“, erklärte Alexis und blickte auf das Handy, das sie gerade eben wieder eingeschalten hatte. „Er hat es mir versprochen.“

Wieso verspürte Kate nur solch ein nervöses Ziehen im Unterleib? Was war es, dass ihr solches Unbehagen beschwerte. Sie war nervös, nervöser als sie es in den letzten Jahren jemals gewesen war.

Nachdem sie ihr Gepäck abgeholt hatten, ging die Truppe gemeinsam in Richtung Ausgang. Alexis hatte irgendwann nach Kates Hand gegriffen, drückte diese. Wieso sie dies tat, sie wusste es nicht, doch fühlte es sich richtig an.

Die Türen öffneten sich und entließen die Gruppe in Richtung Freiheit, aus den strengen Regeln des Flughafens. Alexis schob den gemeinsamen Gepäckwagen, beobachtete jede von Kates Bewegungen. Menschenmassen warteten auf die Ankömmlinge und nur mit großem Aufwand entdeckte Alexis ihren Vater, schrie seinen Namen und riss ihre Hand in die Höhe. Erst dann sah auch Kate Castle in der Menge stehen, leger gekleidet in Jeans und einem grünen Shirt mit einem Universitätslogo darauf. Schüchtern blickte sie wieder auf den Boden.

Alexis drückte Kates Hand und zog so wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich, als sie sich den Weg durch die Massen bahnten. Der Großteil ihrer Freunde war noch hinter ihnen und es schien, als würden sie alle darauf warten, wie sich Kate und Richard begrüßen würden. Lex ließ auf dem letzten Meter Kate und den Wagen los und stürmte auf ihren Vater zu, so wie es eigentlich kleine Mädchen machten und keine Teenager.

„Dad“, sagte sie laut genug, damit es alle um sie hören konnten. „Es war das beste Wochenende meines Lebens.“ Sie ward sich in seine starken, muskulösen Arme. „Ach Dad!“

Er hielt sie hoch, sodass ihre Beine nicht den Boden berührten und war froh, sein kleines Mädchen wieder in den Armen halten zu können. Doch sah er die gesamte Zeit Kate in die Augen, sie starrten einander an. So setzte er wenige Augenblicke später Alexis wieder ab du ging zu Kate hinüber, langsamen Schrittes. Immer noch starrte er ihr in die großen grünbraunen Augen, lächelte sie an und sie lächelte schüchtern zurück.

„Du siehst gut aus“, erklärte Rick und legte seine Hand auf ihre Schulter.

„Danke, du auch.“

„Nein, du siehst wirklich gut aus, sehr gut auch. Du solltest öfter solche Sachen tragen.“

„Sollte ich das?“

„Hm…“, sagte er und nickte. „Und vor allem blau. Blau steht dir vorzüglich, sehr gut sogar.“

Rick war irritiert von ihrem Auftreten. Noch nie hatte er Kate in ihrer Freizeit in einem Kleid gesehen, was eventuell unter anderem daran lag, dass er sie selten in ihrer Freizeit sah. Kannte sie den Begriff überhaupt? Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie nur arbeitete – Tag und Nacht. Wenn sie einmal nicht im Dienst war, dann machte sie Yoga. Andere Seiten von ihr kannte er nicht, würde er aber gerne kennenlernen, besonders wenn sie so reizend aussahen.

Etwa fünf Meter entfernt stand die gesamte Truppe von Müttern und warteten auf seine Reaktion auf Kate.

„Spiel mit“, flüsterte er ihr rasch ins Ohr bevor er seine Lippen kurz auf ihrem Hals platzierte, die dann über ihre Wange zu ihren Lippen glitten, wo der Kuss rasch vertieft wurde. Kate war irritiert, wollte aber Alexis nicht bloßstellen, außerdem war seine Hand an ihrem Po, die anderen in ihrem Haar. Ihre an seinen Hüften. Nachdem er kurz an ihrer Lippe gekaut hatte, ließ sie es zu, öffnete ihren Mund und gab sich ihm ihn, stöhnte in seinen Mund, als er sie gegen sich presste.

Als sie sich voneinander lösten, grinsten, sahen sich tief in die Augen und erkannten, dass es kein Schauspiel gewesen sein konnte.

Die Gesichter der Mütter zeugten von Entrüstung und sie verloren sich mit ihren Töchtern nun in der Menge. Alexis strahlte. Hatte sie das Unmögliche tatsächlich geschafft?

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, legte Rick seinen Arm um Kates Schulter, schob den Gepäckwagen in Richtung des Taxi-Standes, Alexis auf seiner anderen Seite.

Castle nannte dem Fahrer die Adresse des Lofts, ohne auf eine Reaktion seiner Partnerin zu warten, griff nach ihrer Hand, als sie das Taxi verließen und gemeinsam brachten sie all das Gepäck in das Loft.

„Möchtest du bleiben?“, fragte er schließlich, als Martha Alexis in die Arme schloss und sie ausfragte.

„Hm …“, antwortete sie schüchtern und nickte. Sie war sich darüber nicht sicher, nicht sicher, auf was sie sich mit diesem Schritt einlassen würde, ob es funktionieren konnte oder sie alles riskierte zu verlieren. Aber sie wusste, dass sie nach mehr als einem Jahr ihre Gefühle nicht mehr verstecken musste und er scheinbar ähnliche hatte.

Vielleicht würde es nur eine flüchtige Nacht werden, vielleicht eine kurze Affäre oder das gewisse Etwas für immer. Kate sagte sich mehrmals, dass sie alles versuchen würde, dieses Mal nach sechs Monaten keinen Rückzieher zu machen, alles zu geben.

Alles.

 

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The End

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A/N: Ich weiß, etwas ganz Anderes und so richtig happy bin ich auch nicht, aber es musste raus und es sollte einmal keine P18 Variante werden und auf keinen Fall FemSlash (das kann ich einfach nicht). Ob mein Rating auch nur ansatzweise stimmt, weiß ich nicht, ich hab mich mit niedrigen Ratings noch nie beschäftigt. *hehe*

Ich freue mich über Reviews aller Art.

About starthebuck

Ich lese um zu träumen, träume um zu lesen. This blog about books is partly in English and partly in German mostly because I read in both languages and sometimes it makes more sense to review in the language you read even if grammer sucks!
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